Klassische Reitkunst - Was ist das genau?
Die „Reitkunst“ hört man mittlerweile überall. Jeder schmückt sich mit diesem Begriff (auch ich 😉), aber er wird inzwischen so inflationär genutzt wie vor ein paar Jahren der Begriff „Horsemanship“. Aber warum ist das so? Ist es einfach nur einer der vielen Hypes, die die Reiterwelt durchziehen?
Ich würde sagen: JA! Und NEIN! 🤪

Nein, weil es Formen der Reitkunst so gesehen schon in der Antike gab, insbesondere bei den römischen und griechischen Reitern. Die Reitkunst wurde dabei eng mit der Kriegführung und der Bewegung der Pferde im militärischen Kontext verbunden. In dieser Zeit wurde das Reiten vor allem zur Kriegsführung, aber auch zur Pferdeausbildung und Reitern verwendet.
Ja, denn in der Reitkunst steht ganz klar der „Pro-Pferd-Gedanke“ im Fokus. In der heutigen, durch Sportreiterei geprägten Pferdewelt, mit all den schrecklichen Bildern aus Olympia und den misshandelten Freizeitpferden 😣, möchten viele Pferdebesitzer wieder zurück zu einem Miteinander, in dem das Pferd als fühlendes Wesen wahrgenommen wird – als Partner, der ein Mitspracherecht hat, und nicht nur als Sportgerät fungiert 💗
Obwohl dieser Gedanke in jeder Reitweise – egal ob FN, Horsemanship, Akademischen Reitkunst oder École de Légèreté – tief verankert ist, gibt es natürlich auch hier schwarze Schafe und wirklich inspirierende Menschen. Die Umsetzung häng also stets vom Menschen ab – vom Trainer, Lehrer und auch von Dir! 🫵🏻
Der Reitkunst-Hype versucht, diesem Gedanken noch mehr Nachdruck und Deutlichkeit zu verleihen. Mit diesem Begriff möchte man sich deutlich abgrenzen. Es bleibt aber eine Frage der Definition und Zielsetzung.
Ich möchte deshalb meine eigene Definition der Reitkunst erläutern und erklären, warum ich diese gewählt habe. Denn in diesem ganzen Wirrwarr um den Begriff verliert man schnell den Überblick. Da es, wie gesagt, sehr von der ausführenden Person abhängt, beziehe ich mich in diesem Beitrag nur auf meine Arbeit und die Beziehung zu den Pferden 🔍
Eine schöne Zeit miteinander zu verbringen 💞
Definition
Bevor wir die Reitkunst definieren, müssen wir zuerst den Begriff „Kunst“ & „Reiten“ verstehen:
Kunst = Schöpferisches Gestalten in Auseinandersetzung mit Natur und Welt bzw. Tätigkeit ohne Funktion.
Reiten = Sich auf einem Reittier fortbewegen (insbesondere einem Pferd)
Setzen wir diese beiden Begriffe zusammen, ergibt sich:
Reitkunst = Sich auf einem Pferd fortbewegen und dabei eine schöpferische Interaktion gestalten, ohne dabei eine Funktion zu verfolgen.
In der Reitkunst zelebrieren wir also den „Schöpfungsprozess“. Es geht darum, mit dem Pferd zusammen zu interagieren, ohne ein festes Ziel zu verfolgen oder eine Funktion zu erzielen 🏁
Jetzt kommt der entscheidende Punkt ❗️
👉🏻 Kunst immer dem Auge des Betrachters entspricht, ist die Interpretation sehr individuell. Deshalb ist Reitkunst auch so vielfältig – jeder muss für sich seine eigene Interpretation finden!
Für mich steht das Gefühl und das Lernen im Mittelpunkt:
- Das Gefühl von Hinfühlen, Hinsehen und Hinhören – sowohl bei mir selbst als auch bei meinem Gegenüber, dem Pferd und dem Schüler. Diese Verbindung sollte tiefgreifend, ehrlich und auf Augenhöhe sein. Ich möchte in freundliche, offene Augen schauen und das Gefühl einer gemeinsamen Freude und verbundenen Herzen spüren. Vertrauen und Verbundenheit sind für mich die Basis für ein harmonisches Miteinander 💞
- Die Reitkunst ist für mich auch ein Studium für's Leben. Mit dem Einschlagen dieses Weges bin ich bereit, mein Handeln zu hinterfragen, meine Gedanken zu reflektieren und mich mit diesem Schöpfungsprozess zu beschäftigen - nicht um andere zu beeindrucken, sondern um für mein Pferd morgen ein besserer Mensch zu sein, als du gestern war 🫶🏻
Du fragst dich vielleicht auch, warum ich hier bisher nichts über Übungen oder Methoden im Reitunterricht schreibe? Weil du als Reiter selbst in der Hand hast, wie du die Beziehung zu deinem Pferd gestaltest. Deshalb ist Wanderreiten genauso Reitkunst wie die Lieschen Müller von nebenan, die einfach nur ihr Pferd von Herzen liebt und Freiarbeit macht 😌
Wichtig ist das WIE – immer im Einklang mit dem Pferd, reflektiert und mit Emotionen!
Daher ist Kunst auch nicht messbar oder abrufbar, sondern muss gefühlt werden und entsteht im Moment ❤️🔥 Reitkunst und Wettbewerbe bzw. Turniere korrelieren daher niemals miteinander. Natürlich ist der Wettbewerbsdrang in der Menschheit tief verwurzelt und auch nachvollziehbar, aber wenn du das Ziel hast, eine Lektion gezielt abzuliefern, um sie mit von Außenstehende bewerten zu lassen, verfolgst du das Ziel deinem Ego und Ehrgeiz Aufmerksamkeit zu schenken, aber verlierst die eigentlichen Werte, wofür die Reitkunst steht. Stelle dir daher die Frage: Wie fühlt sich dein Pferd, von außenstehende Fremde bewertet zu werden?
Dabei kannst du diese tiefe Verbundenheit jeden Tag mit deinem Pferd erlebt! Du musst nur genau Hinfühlen: Die Verbindung und das Vertrauen zu deinem Pferd kannst du schon spüren, wenn du dein Pferd beim Grasen auf der Koppel zusiehst. 🌸

Egal, ob mit Piaffe oder ohne! Der Weg ist das Ziel – und dabei geht es nur um eines:
Eine schöne Zeit miteinander zu verbringen 💞
Durch die ganze Technik verlernen wir aber oft das Fühlen. Es wird uns eingeredet, dass wir nicht gut genug sind und immer den Fehler bei uns suchen müssen – nie beim Pferd. Und was passiert, wenn dein Pferd eine Übung nicht perfekt ausführt? Dann hast du Angst dein Pferd damit kaputtzumachen.
Dabei würdest du als Reiter alles für dein Pferd tun, aber traust dich nicht mehr, bist verunsichert und verkopft. Du hast Angst, Fehler zu machen 😟
Meine Aufgabe als Lehrer und Trainer ist es, dich und dein Pferd zu begleiten, damit du wieder zum Fühlen zurückfindest und erkennst, dass du immer gut genug für dein Pferd bist. Du wirst wieder lernen, hinzuhören, hinzusehen und dich mit deinem Pferd auf eurem gemeinsamen Weg bestärkt zu fühlen! Lektionen sind dabei nur Werkzeuge, die wir nutzen können. Meine Aufgabe ist es, die richtigen Werkzeuge zu finden, die euch auf eurem Weg unterstützen können 🤝🏻
Hierfür treffen wir uns regelmäßig zu Reitkunst-Events, wo wir zusammen leben, lernen und uns austauschen. Durch unsere vielfältigen Kurse mit beispielsweise den Krischkes, Hella Mohr, Andraz Obermeier und vielen mehr, wird es nie langweilig! In diesen Kursen tauschen wir uns nicht nur aus und lernen voneinander, sondern helfen uns gegenseitig uns weiterzuentwickeln und stärken uns, unseren Weg weiterzugehen.
Du findest hier bei uns ein ganzes Netzwerk voller Gleichgesinnten, die genau dieser Philosophie folgen: sich gegenseitig unterstützen, austauschen und miteinander lernen. Nicht um andere zu beeindrucken, sondern um für dein Pferd morgen ein besserer Mensch zu sein, als du gestern warst. Immer mit dem Gedanken “Pro-Pferd” - ohne Leistungsdruck und ohne Wertung - aber mit ganz viel Liebe und Verständnis im Herzen 💕
Hast du noch Fragen oder möchtest dich zum Thema austauschen? Dann schreibe mir gerne bei Instagram, WhatsApp oder per Mail 🤗